top of page

GedankenSprünge Nr. 1 - Alles auf Anfang

Am Anfang war … der Zweifel?!


Nun denn, ich wage mich an meinen ersten Blogeintrag. Aber wo soll ich anfangen?


Die Versuchung ist groß, gleich nach Perfektion zu streben – den Blick stets gerichtet auf das große Ganze.


Damit einher gehen meist zwei Phänomene:


Zum einem das tiefe Eintauchen in alle möglichen (und unmöglichen) Ratgeber- Artikel/Posts/Bücher. Immer auf der Suche nach dem Rezept für das perfekt Endergebnis. (Schuldig)


Zum anderen die Tendenz sich in technischen Details zu verkriechen. (Yep) In welcher Sprache soll ich meinen Blog verfassen? Macht es Sinn den Blog auf Deutsch zu schreiben, auch wenn die Infotexte der Homepage auf Englisch verfasst wurden? In welcher grammatischen Person soll der Text formuliert werden? Mit welchem Personalpronomen soll der Leser angesprochen werden? Etc.


Doch ist dies die falsche Zeit um sich der Reflexion hinzugeben. Denn dazu wäre zuerst eigenes Ausgangsmaterial nötig über das man reflektieren, also NACH-Denken, kann. Nur dann ist Reflektion nicht nur wichtig und wertvoll, sondern elementare Voraussetzung um die eigene Arbeit an den nötigen Stellen zu korrigieren.


Das bedeutet nicht, dass man sich Hals über Kopf in die Arbeit stürzen muss, ohne jegliche Vorbereitung. Jedoch sollte die Vorbereitung zeitlich in Relation zu dem Endergebnis stehen.

Doch dreht sich alles um die Vorbereitung, ist/bleibt man zwar in Bewegung, handelt jedoch nicht!


James Clear hat dies vortrefflich auf den Punkt gebracht:

We are so focused on figuring out the best approach that we never get around to taking action. [...] I refer to this as the difference between being in motion and taking action. The two ideas sound similar, but they’re not the same.” (1)

Er erkennt in diesem Phänomen ein klares Muster mit dem man versucht dem Risiko des Scheiterns zu begegnen bzw. dieses hinauszuzögern:

But more often than not, we do it because motion allows us to feel like we’re making progress without running the risk of failure. Most of us are experts at avoiding criticism. It doesn’t feel good to fail or to be judged publicly, so we tend to avoid situations where that might happen. And that’s the biggest reason why you slip into motion rather than taking action: you want to delay failure” (2).


Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (3)


Dies passt zu Beobachtungen die ich in meinem Bekanntenkreis machen konnte:

Von vielen Personen die mit mir angefangen haben in der Jugend Musik zu machen, wurden einige zu respektierten und anerkannten Künstlern mit einer gewissen öffentlichen Reichweite. Auch von ihnen existieren Songs und physische Alben, mit Inhalten zu denen sie heute nicht mehr oder nur eingeschränkt stehen und die produktionstechnisch nicht ausgereift waren. Durch diese Produktion konnten sie jedoch reifen und ihre Fähigkeiten verbessern – zudem ist ihr künstlerischer Werdegang durch die veröffentlichten Frühwerke dokumentiert und fassbar. Es macht also keinen Sinn im stillen Kämmerlein vor sich hin zu werkeln, mit der Hoffnung anschließend als vollendeter und gleich akzeptierten Künstler ans Licht der Öffentlichkeit zu treten. (Schuldig)


Spätestens jetzt wird einem klar, dass die Perfektion der Feind des Guten ist (Frei nach Voltaire: „le mieux est l'ennemi du bien“ (4).


Die einzige Lösung wäre dann einfach anzufangen, zu handeln. Irgendwo. Irgendwie. Ohne darauf zu warten, dass die Rahmenbedingungen stimmen oder dass sich Widerstände in Luft auflösen. Tut man dies, wird jeder Fehler zu einer Trainingseinheit. Ryan Holiday schreibt dazu in seinem Buch The Obstacle is the Way: „Think progress, not perfection. Under this kind of force, obstacles break apart. They have no choice. Since you’re going around them or making them irrelevant, there is nothing for them to resist”. (5) Dies gilt meiner Meinung nach im besonders hohen Maße für alle kreativen Arbeiten.


Diese Erkenntnis ist weder neu, noch ist sie in der Lage die Selbstzweifel zu zerstreuen, die mit der Furcht vor dem Scheitern einhergehen. Wie kann man nun konstruktiv mit diesen Selbstzweifeln umgehen?


Step in the arena!


Theodore Roosevelt hat 1910 in einer vielzitierten Rede an der Sorbonne betont, dass es nur auf die Person ankommt, die in der „Arena“ steht:

It is not the critic who counts; not the man who points out how the strong man stumbles, or where the doer of deeds could have done them better. The credit belongs to the man who is actually in the arena, whose face is marred by dust and sweat and blood; who strives valiantly; who errs, who comes short again and again, because there is no effort without error and shortcoming; but who does actually strive to do the deeds; who knows great enthusiasms, the great devotions; who spends himself in a worthy cause; who at the best knows in the end the triumph of high achievement, and who at the worst, if he fails, at least fails while daring greatly, so that his place shall never be with those cold and timid souls who neither know victory nor defeat”. (6)


Das Eintreten in die Arena birgt zugleich das Potential in sich Schaden zu nehmen - man macht sich angreifbar. Wenn man sich dieser Vulnerabilität jedoch nicht nur bewusst ist, sondern sie akzeptiert, sie mit offenen Armen empfängt, ja sie sogar aktiv sucht, wird dies die Türen für wahren Fortschritt und Weiterentwicklung öffnen.


Brené Brown hat auf dieser Grundidee ein ganzes Buch aufgebaut, in welchem sie beweist, dass Angreifbarkeit kein Ausdruck von Schwäche ist und wie sehr das Betreten der Arena einen für den eigenen Fortschritt öffnen kann. In der Einleitung schreibt sie dazu:

Rather than sitting on sidelines and hurling judgment and advice, we must dare to show up and let ourselves be seen. This is vulnerability. This is daring greatly.” (7) Besonders herausragend und erfrischend ist die Art, wie Brené Brown in diesem Buch wissenschaftliche Erkenntnisse mit ihren Erfahrungen verbindet und auch ihre eigenen Selbstzweifel beim Schreibprozess einbringt – wodurch ihr Schreibstil selbst zu einem direkten Beleg für ihre These wird!


Ein Vorteil des Sich-in-Arena-Begebens sind die Kontakte die man zu anderen Menschen knüpfen kann, die selber in der Arena stehen. Es ist um einiges leichter mit solchen Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren und ihre Ratschläge sind um ein vielfaches wertvoller, als Ratschläge von Menschen die bloß von den Zuschauerrängen in die Arena blicken.


Geht man mit einem solchen State-of-Mind an Anfänge jeglicher Art heran, freut man sich irgendwann auf jeden Neubeginn. Man fängt an Situationen zu suchen, in denen man die eigene Komfortzone verlassen muss. Man meldet sich auf der Arbeit bei anfänglichen komisch wirkenden Teambuilding-Maßnahmen plötzlich als erster. Es wird einfacher auf Parties Smalltalk mit unbekannten Personen zu führen (besonders, wenn man sich früher schwer mit solchem tat). Und irgendwann stellen sich auch die ersten Erfolge und erreichte Ziele ein, die einen darin bestätigen weiter in der Arena zu bestehen. Jedes überwundene Hindernis zeigt nun, dass man würdig genug für das nächst größere Hindernis ist.

Schließen möchte ich an dieser Stelle mit einem Zitat von dem Rapper Prodigy der kurz vor seinem Tod zu seinem Glauben zurückgefunden hat und dazu folgendes geschrieben hat: „Nothing is a challenge to me anymore, just experience. I don’t compete anymore, I just create. There’s no such thing as opposition, just nature at work.” (8) Dies umschreibt für mich, wie es sich anfühlt, wenn man mit sich im Reinen in der Arena steht.


Also lasst uns handeln und uns angreifbar machen!


Step in the Arena!

(Albumtitel des 2. Albums der Gruppe Gangstarr, erschienen 1990).


Ninor, 03.01.2018


(1) – James Clear, Atomic Habits. An Easy & Proven Way to Built Good Habits & Break Bad Ones. 2018. S. 142.

(2) – James Clear, Atomic Habits. An Easy & Proven Way to Built Good Habits & Break Bad Ones. 2018. S. 142.

(3) – Zitat unklarer Zuschreibung; siehe http://falschzitate.blogspot.com/2018/02/wer-kampft-kann-verlieren-wer-nicht.html

(4) – https://en.wikipedia.org/wiki/Perfect_is_the_enemy_of_good

(5) – Ryan Holiday, The Obstacle is the Way. The Ancient Art of Turning Adversity to Advantage. 2014. S.102.

(6) – http://www.theodore-roosevelt.com/trsorbonnespeech.html

(7) – Brené Brown, Daring Greatly. How the courage to be vulnerable transforms the Way we Live, Love, Parent and Lead. 2012. S. 2.

(8) – Prodigy, mit Laura Checkoway, My Infamous Life. The Autobiography of Mobb Deep’s Prodigy. S. 300.


Nachbetrachtung:

Jop, das war schon ein ganz schönes Stück Arbeit... Aber der Schreibprozess hat Spaß gemacht, die Zeit verflog förmlich. Es tut gut die eigenen Gedanken im Schreibprozess ordnen zu müssen.

Möglicherweise waren das diesmal zu viele Zitate. Das könnte man beim nächsten Mal vielleicht noch reduzieren. Auch die vielen Anglizismen stören möglicherweise. Für einige Wörter gibt es jedoch nur ungenaue Übersetzungen. Ein Grund auch, warum ich die Zitate auf Englisch stehen gelassen habe. Vielleicht sollte ich doch versuchen den kompletten Text nächstes Mal auf Englisch zu schreiben?

Photo by Sarah Reuland

37 Ansichten0 Kommentare
bottom of page